Ulla Müllers Buchtipp auf Bayern1, heute (4. Feb. 2022)

 

Horak am Ende der Welt von Jan Kossdorff. Ein wunderbares Buch über das Suchen, das Finden und das Älterwerden.

 

 

Die Lieblingsstelle

 

„Ausziehen, gemeinsam duschen, ins Bett legen. Küssen, streicheln, sich ansehen. Schon registrieren, man ist nicht mehr so jung wie damals, aber immerhin ist man es gemeinsam. Haut spüren, Nähe fühlen. Der Wettbewerb ist längst vorbei. Sich lieben, relaxter und ungenierter als früher. Dann Ruhe, Blödheit, Frieden ...“

 

 

Worum geht’s?

 

Österreichischer mehr so lala-erfolgreicher Schriftsteller in den Mittvierzigern mit deutlich jüngerer Freundin ist unterwegs auf Lesetour. Letzte Station ausgerechnet sein Heimatort im Waldviertel in Österreich. Und da trifft er Menschen von früher, inklusive Exfrau mit neuem Mann. Erinnerungen kommen, Lebenszweifel kommen, die Freundin geht oder vielleicht auch nicht, eine Jugendliebe taucht auf, und er schlingert eine Zeitlang innerlich wie äußerlich unstet durch die Gegend und hinterfragt alles. Aber irgendwie bleibt er erfrischend locker dabei. Auf eine sehr sympathische Weise irr.

 

 

Absolut lesenswert, weil?

 

Weil der so toll schreibt. Der kann Sprache, das ist der Wahnsinn. Und dann hat er auch noch Humor. Ab Seite 20 gab es bei mir nur noch pure Begeisterung. Da sind Sätze drin, die brennen sich richtig ein. Kleines Beispiel: „Die Pläne deiner Nächte sind das Bedauern deiner Tage.“ Hach!

 

Oder die Beschreibung der Oma: „Meine Oma in ihrer Schürze, immer irgendwas prüfend, ausbessernd, pflegend, mit kleinen Pausen, in denen sie die Augen schloss und dafür sorgte, dass in Afrika der Mond aufging.“

 

Ich könnt ewig so weitermachen, da sind so viele Schätze drin in dem Buch. Einen hab ich noch! „Ich sehe dem Zeitgeist beim Rumturnen in seiner Hüpfburg zu und verstehe nichts.“

 

Weil wir damit beim großen Thema im Buch sind: Älterwerden, es akzeptieren oder auch nicht. Ist sich Abfinden ein trauriges Ergeben oder kriegt man das so hin, dass da eine neue, entspanntere Haltung dem Leben gegenüber entsteht. Nichts mehr vermissen, das, was ist, genießen. Alles kann, nichts muss.

 

Ich gebe zu, ich bin sehr verliebt in dieses Buch. Was ich wirklich bemerkenswert fand: Ich hab immer alles vor mir gesehen, was der beschreibt. Ich hatte immer das Gefühl, ich lese nicht, ich bin im Kino.

 

Definitiv mein Lieblingsbuch des Jahres, und ja, ich weiss, es ist Anfang Februar. Aber ist so.

 

 

 

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"Lieblingsbuch des Jahres"
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